Hans-Rudolf Schärer

Gespräch mit dem Gründungsrektor (Teil I)

Der Gründungsrektor der PH Luzern blickt zurück. Hans-Rudolf Schärer beschreibt im dreiteiligen Interview unter anderem, welche politischen Umstände bei der Entstehung der Hochschule überwunden werden mussten, wie finanzielle Schwierigkeiten gemeistert werden konnten und wie sich die Lehrerinnen- und Lehrerbildung in den vergangenen 20 Jahren entwickelte.

Teil I

Die PH Luzern feiert ihr 20-jähriges Jubiläum: Mit welchen Gedanken und Erinnerungen verbindest du diesen runden Geburtstag hauptsächlich?

Hans-Rudolf Schärer: Die Geschichte der PH Luzern ist Teil der Entwicklung der nationalen Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Was in den vergangenen rund 25 Jahren diesbezüglich geleistet wurde, ist beeindruckend. Ich denke an drei Meilensteine: erstens die gesamtschweizerische Anerkennung der kantonalen Diplome in den späten 90er-Jahren, zweitens die Transformation der Lehrerinnen- und Lehrerseminare in Pädagogische Hochschulen anfangs der 2000er Jahre und drittens seit rund zehn Jahren die Vollintegration der Lehrpersonenbildung ins schweizerische Hochschulsystem. Was die PH Luzern im Besonderen betrifft, darf ich als Gründungsrektor der PH Luzern und als ehemaliger Präsident der Rektorinnen- und Rektorenkonferenz der Pädagogischen Hochschulen der Schweiz feststellen, dass die PH Luzern stets im Gleichschritt war mit der nationalen Entwicklung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, ja diese in manchen Bereichen auch wesentlich mitgeprägt hat.

Man hört immer wieder, dass es dadurch trotzdem keine besseren Lehrerinnen und Lehrer gebe.

Schärer: Das würde ich in dieser allgemeinen Form auch nicht behaupten. Nach wie vor hängt sehr vieles von der Motivation und der individuellen Begabung der Lehrerinnen- und Lehrerpersönlichkeiten ab. Aber ich bin überzeugt, dass die PH’s insgesamt bessere Voraussetzungen für den Aufbau professioneller Kompetenz bieten als früher die Seminare. Das zeigen auch die Anerkennungsverfahren der EDK und die Akkreditierungsverfahren des schweizerischen Akkreditierungsrates.

Was dich mit Stolz erfüllen darf!

Schärer: Stolz ist ein ambivalenter Begriff, weil er das Verdienst am Erreichten häufig individuell zuschreibt. Ich möchte lieber von Genugtuung darüber sprechen, dass sich gerade vor dem Hintergrund des zeitweise sehr heftigen politischen Widerstands gegenüber der Entstehung der Pädagogischen Hochschulen ihre Geschichte heute als Erfolgsstory bezeichnen lässt. Das belegen verschiedene Indikatoren: Das kontinuierliche Wachstum der Studierendenzahlen, die Nachfrage seitens der Schulen als «Abnehmer», die – entgegen der verbreiteten öffentlichen Meinung! – überdurchschnittliche Verweildauer ihrer Absolventinnen und Absolventen im Beruf, ihre Etablierung als dritter Hochschultypus neben den universitären Hochschulen und den Fachhochschulen im schweizerischen Hochschulsystem, schliesslich auch generell ihr Leistungsausweis in den Bereichen Ausbildung, Weiterbildung, Forschung/Entwicklung und Dienstleistungen.

Es gibt aber auch eine persönliche Antwort auf deine Eingangsfrage: Ich verspüre im Rückblick auch Dankbarkeit dafür, dass ich in meinem Berufsleben so viel und so häufig die Erfahrung von Sinn machen durfte. Darunter fällt insbesondere die an der PH Luzern intensiv erlebte Kollegialität bis hin zu meiner Pensionierung und darüber hinaus. Ich stelle fest, dass es nicht die Erinnerungen an Sachthemen sind, die mir als erstes in den Sinn kommen, wenn ich zurückblicke, sondern die Begegnung mit Kolleginnen und Kollegen, ja Freundinnen und Freunden, dank deren Engagement es möglich war, eine neue Institution ab ovo auf die Beine zu stellen.

Wie hat sich der politische Widerstand vor der PH-Gründung manifestiert?

Schärer: Es gab damals eine schweizweite Petition für die Erhaltung der Seminare mit 78’000 Unterschriften. Im Kanton Luzern wurde eine entsprechende Initiative mit 18’000 Unterschriften zwar im letzten Moment wieder zurückgezogen, aber das Misstrauen gegenüber der neu entstehenden PH blieb lange bestehen.  In jener Zeit fiel mir auch die Aufgabe zu, dazu beizutragen, dass die Lehrerinnenbildung am historisch überaus vierdienstvollen Seminar Baldegg (Frauenbildung seit Mitte des 19. Jahrhunderts) ein Ende findet, obwohl mich die dort geleistete Arbeit stets beeindruckt hat. Glücklicherweise konnten wir manche Lehrpersonen des Seminars Baldegg an die PH übernehmen.

Offenbar wurde vieles gut gemacht. Trotzdem sei die Frage erlaubt: Gab es auch Dinge, die nicht so gut gelaufen sind oder die man aus heutiger Sicht anders machen sollte?

Schärer: Wir haben am Anfang natürlich sehr viel Gewicht auf unser Ausbildungskonzept und die politische Konsolidierung der PH gelegt. Dadurch gerieten Aspekte der Verwaltung allzu sehr in den Hintergrund. Es gab bei uns zum Beispiel bis 2006 keinen Verwaltungsdirektor und keine Personalverantwortliche. Auch machten wir uns in der Planungsphase Illusionen über die freie, individuelle Gestaltbarkeit des Studiums. Die «Modularisierung» der Ausbildung geriet als Berufsausbildung im eng gesetzten zeitlichen und finanziellen Rahmen bald an Grenzen.

Umstritten war, zumindest in der Öffentlichkeit, die Einführung von Forschung und Entwicklung…

Schärer: Entsprechend gross war die Herausforderung, den Boden für die Einführung dieses neuen Bereichs der Lehrpersonenbildung zu bereiten. «Akademisierung» war lange Zeit ein Schimpfwort. Heute stellen wir fest, dass Forschung und Entwicklung an PH’s der Öffentlichkeit grosse Dienste leistet (etwa bei der Entwicklung des Lehrplans 21, der Produktion von Lehrmitteln, in der Fachdidaktik und im Bereich Lernpsychologie und Entwicklungspsychologie). Die Begegnung mit Forschung und Entwicklung im Rahmen der Ausbildung ist unverzichtbar dafür, dass die Studierenden später ihren Beruf problembewusst, eigenständig und zeitgemäss ausüben können.

Die Zusammenführung der verschiedenen seminaristischen Studiengänge war ebenfalls eine grosse Herausforderung…

Schärer: Es gab – institutionell völlig getrennt – Kindergartenseminare, Primarlehrpersonenseminare, Handarbeitslehrerinnenseminare, Hauswirtschaftslehrerinnenseminare, Sekundarstufenausbildungen an der Uni usw. Gegen diese Parzellierung führten wir das sogenannte Grundjahr ein, das auch heute noch aufgrund von frühen Praxiserfahrungen einen reflektierten Stufenentscheid ermöglicht. Wir schafften es auch, Ausbildung, Berufseinführung, Weiterbildung und Zusatzausbildung unter einem Dach zu vereinigen und so eine Lehrerinnen- und Lehrerbildung «aus einem Guss» zu gestalten. Insbesondere die Verschränkung von Ausbildung und Weiterbildung soll dem Grundsatz des «lebenslangen Lernens» Rechnung tragen – ein gesellschaftliches Anliegen, dem bekanntlich aus verschiedenen Gründen immer mehr Bedeutung zukommt.

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